Leserbrief

14. Oktober 2012

Leserbrief zu Schrobenhausener Zeitung vom 29/30.92012 Artikel: eine polit. Riesenschildkröte (Interview mit mit HP Schwarz)

Wenn man Bundeskanzler war und lange genug aus dem Amt ausgeschieden ist, kann man die berechtigte Hoffnung hegen, von der veröffentlichten Meinung und anderen glorifiziert zu werden. Zumindest machen sowohl Helmut Kohl wie sein Namensvetter Schmidt derzeit diese Erfahrung. Insofern mag Gerd Schröder ja noch hoffen.
Vergessen dabei, dass beide Altkanzler nicht nur in ihren Parteien, sondern auch in der Öffentlichkeit ob ihrer Politik äußerst umstritten waren.
Vergessen, dass der Mann aus Oggersheim wegen seiner Politik 1987 auf dem Parteitag der CDU vor dem Sturz stand.
Vergessen auch, dass der spätere Einheitskanzler, der Gorbatschow mit Goebbels verglich, was sein damaliger Generalsekretär mit einem „Blackout“ Kohls zu entschuldigen versuchte, die von ihm vorhergesagten “blühenden Landschaften“ mit Mitteln aus den Sozialkassen finanzierte und so selbige plünderte.
Vergessen, dass der gerühmte Pan-Europäer Mitschuld an den Konstruktionsfehlern bei der Geburt des Euro trägt. Er gehörte zu denjenigen, die von der naiven Vorstellung ausgingen, man müsse nur eine einheitliche Währung schaffen, dann werden sich die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse schon angleichen. Umgekehrt wird ein Schuh daraus! Unter den Folgen dieser fatalen Fehleinschätzung leiden wir heute in der Krise um den Euro.
Und vergessen auch, dass der Altkanzler sich nach wie vor über das geltende Recht stellt, dadurch dass er nach wie vor die Geldgeber seiner Parteispenden nicht nennen will und somit sein „Ehrenwort“ - hatten wir nicht schon einen anderen Politiker der CDU, der sein Ehrenwort gab?- über das Gesetz stellt.

Fazit: Ohne die Einheit wäre Helmut Kohl das gleiche Schicksal beschieden wie Kurt Georg Kiesinger, der weitgehend als vergessen und blass gilt. Durch die Einheit wurde Kohl zwar vom Mantel der „Geschichte“, wie er zu sagen pflegt, geküsst und nicht vergessen. Aber er wird maßlos überschätzt. Und sein Ansehen und die Festspiele, die die Union zu seinen Ehren veranstaltet, lassen sich vor allem mit dem aufkommenden Bundestagswahlkampf erklären. Wer nicht in der Gegenwart zu glänzen vermag, sucht sein Heil in der vermeidlich glorreichen Vergangenheit.

Wolfgang Murr
Hörzhausener Str.33
Schrobenhausen

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